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Home Office und Motivation zu Hause: Tipps eines Experten

Für viele ist nicht nur der Corona-Alltag neu, sondern auch das Arbeiten zuhause. Wir haben Konrad Wiesendanger, Coach, Supervisor und Körpertherapeut, gefragt, wie man in der gegenwärtigen Situation im Home Office erfolgreich und effizient sein und trotz der derzeitigen Einschränkungen bei Laune bleiben kann und worauf man achten sollte.

Mathias Steger: Wie kann man sich den Arbeitsplatz zu Hause so angenehm wie möglich gestalten?

Konrad Wiesendanger: Für das Home Office braucht es einen angenehmen, ruhigen Ort, wo man konzentriert arbeiten kann und sich nicht ständig von Dingen ablenken lässt. Auch sollte möglichst vermieden werden, nebenbei noch z.B. Haushaltsarbeit zu erledigen. Ein weiterer Aspekt, den es zu beachten gilt, ist die richtige technologische Ausstattung. Der Arbeitgeber muss die Mitarbeitenden mit den notwendigen Geräten wie Computer oder eventuell einem zweiten Monitor ausstatten. Das ist insofern wichtig, als auch die Ergonomie im Home Office nicht vernachlässigt werden darf.

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Was sollten Menschen beachten, die nun zum allerersten Mal im Home Office arbeiten müssen?

Wer zum ersten Mal im Home Office arbeitet, braucht vor allem Geduld. Es ist ganz normal, dass man sich in einer neuen Situation erst einmal an die Umstände gewöhnen muss und am Anfang z.B. technische Probleme in den Vordergrund rutschen. Wenn die Dinge nicht so funktionieren, wie sie sollten, kann das zu Frustrationsmomenten führen. Man kann jedoch ziemlich schnell lernen, mit dieser neuen Lage umzugehen und sich daran gewöhnen. Was hilft, sind ein klar definierter Arbeitsort und festgelegte Arbeits- und Pausenzeiten.

Welche Empfehlungen geben Sie bezüglich Ergonomie am Arbeitsplatz zu Hause? 

Normalerweise ist der Laptop-Bildschirm zu klein und zu weit unten. Wenn man mit einem Laptop arbeitet, sollte man etwas darunter stellen, um die passende Höhe sicherzustellen. Dann braucht es aber eine zweite Tastatur und eine Maus auf der Arbeitsfläche. Zudem entsprechen im Home Office die Tisch- und Stuhlhöhe oft nicht den Büroanforderungen. Meistens sind auch diese zu tief und die Höhe ist nicht verstellbar. Pausen mit kleinen Dehnübungen können eine Möglichkeit sein, um diese nicht idealen Bedingungen zu kompensieren. Auch bei Telefonaten sollte man die Gelegenheit nutzen und in der Wohnung ein bisschen herumlaufen.

Oft erhält man aber vom Arbeitgeber nicht genug Verständnis dafür, besonders, wenn zuhause Kinder sind, die betreut werden müssen und Aufmerksamkeit wollen. Hier muss klar kommuniziert werden und die nötige Flexibilität und Freiheit eingefordert werden.

Oft ist es schwierig, im Home Office die Work-Life-Balance aufrechtzuerhalten. Was ist nötig, damit man eine ausgeglichene Freizeit nicht vernachlässigt?

Die Trennung von Arbeit und Privatleben ist eine grosse Herausforderung. Besonders mit kleinen Kindern im Home Office wird es kompliziert. Für diesen Spagat braucht es auch Kompromisse. Oft erhält man aber vom Arbeitgeber nicht genug Verständnis dafür, besonders, wenn zuhause Kinder sind, die betreut werden müssen und Aufmerksamkeit wollen. Hier muss klar kommuniziert werden und die nötige Flexibilität und Freiheit eingefordert werden.

Haben Sie Empfehlungen, wie Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden in dieser langen Home Office Zeit motivieren können?

Die Arbeitgeber sollten den Kontakt mit den Mitarbeitenden pflegen und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Ein guter Chef fragt regelmässig nach dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Denkbar wäre z.B., dass ein wöchentliches Meeting dafür geplant wird. Ausserdem soll der Arbeitgeber den Mitarbeitenden genügend Freiraum und Flexibilität für die Arbeit lassen. Damit der Arbeitgeber den Mitarbeitenden helfen kann, müssen diese aber auch mitteilen, was ihre Anliegen und Bedürfnisse sind.

Es gibt Menschen, bei denen diese enormen Einschränkungen sehr viel Stress und teilweise auch Panik verursachen. Wie können sie damit umgehen oder wie kann man sie dabei unterstützen?

Stress kann viele Ursachen haben. Darum ist es schwierig, eine allgemeingültige Lösung vorzuschlagen. Obwohl wir mit der Corona-Krise ein «gemeinsames Schicksal» erleben, geht es vor allem auch darum, auf die individuelle Wahrnehmung zu achten.

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Was helfen kann, ist zum einen genügend Bewegung. Wir haben in der Schweiz keine völlige Ausgangssperre. Das sollte man nutzen und wenn möglich auch hinausgehen, an einen Ort mit wenig Leuten, um zu spazieren oder zu joggen. Meistens kann man sich auch in der Stadt gut ausweichen. Das andere ist die Kontaktpflege. Familie, Freunde und auch alte Bekannte wieder einmal anrufen und mit sich mit ihnen austauschen. Ausserdem helfen eine klare Tagesstruktur und ein Time-Management: Frühstück, Duschen, Arbeit, Spaziergang. So kann man versuchen eine Form der Normalität in diese aussergewöhnlichen Zeiten zu bringen. 

Haben Sie Tipps, wie man sich trotz Ausgangsbeschränkungen bei guter Laune halten kann?

Wenn man die ganze Zeit alleine ist, dann sollte man den Kontakt mit Freunden, Familien und Nachbarn suchen. Heutzutage geht das auch virtuell. Es setzen sich mittlerweile fast überall Nachbarschaftshilfen durch. So kommt es auch immer wieder zu den kleinen Alltagsgesprächen vom Fenster oder der Strasse aus.

Viele Familien oder Paare sind jetzt gezwungen, viel Zeit gemeinsam zu verbringen. Das hat auch Konfliktpotenzial. Wie kann man solche Konflikte so gut wie möglich vermeiden?

Auf sehr engem Raum ohne Ausweichmöglichkeiten zusammen zu leben, hat natürlich ein enormes Konfliktpotenzial. Wenn man sich in die Haare gerät und die Stimmung kippt, dann kann es helfen, wenn man weiss, dass der Konflikt nicht sofort gelöst werden muss und für ein paar Stunden etwas unabhängig voneinander tut, um danach wieder mit ruhigem Kopf über den Konflikt zu sprechen. So kann die Stimmung abkühlen und die Gemüter sind weniger erhitzt. Das ist nicht immer möglich, aber man sollte zumindest versuchen, im Nachhinein den Konflikt nochmal in Ruhe zu besprechen, damit er sich nicht wiederholt.

Sehen Sie eine erhöhte Burnout-Gefahr in der jetzigen Situation?

Wir haben eine sehr merkwürdige Lage, wo Menschen zum Teil massiv überbelastet sind und andere massiv unterbeschäftigt. Nicht nur zu viel Arbeit kann zu einem Burnout führen, sondern auch zu wenig oder bei grosser Unsicherheit, bei zu wenig Struktur und bei neuen Formen von Arbeit. Die Gefahr sehe ich aktuell weniger bei Burnouts als eher bei psychischer Belastung infolge von Unsicherheit.

Konrad Wiesendanger arbeitet in Luzern als Coach, Supervisor und Körpertherapeut (www.ergosens.ch) und ist Autor von «ESM-Embodied Stress Management». Als Ergonomieberater hilft er insbesondere KMU dabei, mit kleinem Investitionsaufwand, gesundheitliche Risiken im Betrieb wie Burnout-Gefährdung frühzeitig zu erkennen.

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