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Möglichkeiten und Einschränkungen von Home Office – ein Interview

Arbeitest du auch ab und zu von zu Hause aus bzw. hast du von deinem Chef die Erlaubnis dazu? In Zeiten von Digitalisierung wird der Wunsch nach Home Office/mobil-flexibler Arbeit immer grösser. Wie sehr ist Home Office in der Schweiz verbreitet, was sind die Herausforderungen und wo sind die Grenzen? Anne Maigatter von der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW gibt uns die Antworten.

Mathias Steger: Frau Maigatter, können Sie uns Zahlen nennen, wie sehr Home Office und mobil-flexible Arbeit in der Schweiz heute verbreitet sind?

Anne Maigatter: Unsere Befragungen und Studien haben ergeben, dass in Branchen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie Home Office bereits sehr verbreitet ist– hier erledigen etwa 70% der Mitarbeitenden einen Teil der Arbeit zu Hause. Im Bildungswesen und in der Verwaltung haben etwa 50% die Möglichkeit dazu. Bei den meisten gibt es jedoch eine Einschränkung, etwa auf einen halben oder einen Tag pro Woche.

Hat man gewöhnlich bei Klein- oder bei Grossunternehmen eine grössere Chance, im Home Office arbeiten zu können?

Diesbezüglich konnten wir leider keine eindeutigen Unterschiede feststellen.

Werden in Zukunft alle Mitarbeitenden den Arbeitsort und die Arbeitszeiten aussuchen können?

Nein, denn bei etwa 45% der Arbeitgeber ist das schon aufgrund ihrer Tätigkeit nicht möglich. Wenn man im Sozial- oder Gesundheitswesen tätig ist oder ständigen Kundenkontakt hat, kommt Home Office gewöhnlich nicht in Frage

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Bedeutet Home Office, dass man auch mit einem Cocktail am Strand oder am Pool arbeiten kann?

Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Hier ist die Grenze zwischen Arbeit und Erholung extrem wichtig. Ferien bleiben Ferien und da soll nicht gearbeitet werden. Es kann aber schon mal vorkommen, dass man mal geschäftlich auswärts an einem schönen Ort ist und dann ein paar Stunden in der Sonne arbeitet. Hier muss aber geklärt werden, dass die Umgebung passt und man sich konzentrieren kann. Und natürlich muss man das mit dem Arbeitnehmer klären.

Sollen Unternehmen also genau definieren, wo die Mitarbeitenden arbeiten können?

Unsere Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen mit wenig Home Office am Anfang genauere Regeln festlegen sollten. So kann man etwa mögliche Arbeitsorte definieren und fixe bzw. flexible Arbeitszeiten festlegen. Der Umgang mit Home Office muss nämlich gelernt werden und ohne Regeln kann es schnell zu einem Durcheinander werden und es kann der Überblick verloren gehen. Wenn alles gut funktioniert, lockern viele Unternehmen diese Regeln dann allerdings.

Die Grenze zwischen Erholung und Arbeit ist ernorm wichtig. Ferien bleiben Ferien und da soll nicht gearbeitet werden.

Ist Home Office für alle geeignet?

Wer im Home Office arbeiten möchte, sollte mit Freiheit gut umgehen können, ein gewisses Mass an Disziplin haben und die Fähigkeit besitzen, Berufliches und Privates so gut wie möglich zu trennen bzw. unter einen Hut zu bringen. Es gibt auch Leute, die brauchen fixe Strukturen und einen fixen Arbeitsplatz, bei anderen fördert Home Office die Kreativität und Effizienz. Ich denke, jeder sollte sich mit seiner eigenen Arbeitsweise auseinandersetzen und herausfinden, was ihm besser liegt oder nicht. Wenn man nicht gut im Home Office arbeiten kann, dann sollte man sich das auch eingestehen.

Wie soll ein Mitarbeiter vorgehen, wenn er im Home Office arbeiten möchte und seinen Vorgesetzten darauf ansprechen möchte?

Bevor man auf den Chef zugeht, würde ich empfehlen, sich ein paar Gedanken zu machen: Aus welchem Grund möchte ich im Home Office arbeiten? Wer profitiert davon – etwa meine Konzentration und dadurch auch meine Leistung, oder reduziert es den Stress, weil ich Job und Privates besser vereinen kann? Bin ich diszipliniert genug und welche Tätigkeiten kann ich überhaupt im Home Office erledigen? Dann gilt es, den Wunsch gegenüber seinem Vorgesetzten zu äussern. Möglich ist auch, dass man eine Testphase einführt, etwa 3 oder 6 Monate mal einen Tag in der Woche zuhause arbeitet. Dabei kann man dann vereinbaren, welche Tätigkeiten sich eignen und wie beide Parteien erreichbar sind. Abschliessend schaut man, ob sich die Testphase für beide bewährt hat und was man anpassen kann. Hierbei gilt: Ausprobieren, was geht und was nicht und stetig darüber im Gespräch bleiben.

Glauben Sie, dass in Zukunft mehr Menschen in der Schweiz die Möglichkeit haben werden, im Home Office zu arbeiten?

Ja, ich glaube schon. Wir beobachten eine leicht steigende Tendenz, aber der Prozess ist eher schleichend. Auch die Akzeptanz dieser Arbeitsform steigt an.foto-maigatter_anne

Anne Maigatter ist Organisationspsychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW in Olten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem mobil-flexibles Arbeiten und neue Organisationsformen.

 

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