Job Coach > Quiet Quitting: Dienst nach Vorschrift für die Work-Life-Balance

Quiet Quitting: Dienst nach Vorschrift für die Work-Life-Balance

In der Arbeitswelt hört man immer mehr den Begriff „Quiet Quitting“. Wir zeigen dir, was hinter diesem Arbeitszkonzept, wo beim Job nur das Notwendigste erledigt wird, steckt und wie du deine Work-Life-Balance verbessern kannst.

Bedeutung von Quiet Quitting

Das Video auf TikTok ist nur 17 Sekunden lang. Der Software-Entwickler Zaid Khan erklärt darin den Begriff «Quiet Quitting», den er angeblich selbst erst seit kurzem kennt. Quiet Quitting, so Khan, bedeute nicht, den Job zu künden. «Aber du verzichtest darauf, bei deiner Arbeit mehr zu leisten als gefordert.»

Mit seinem Statement traf der TikToker aus New York den Nerv der Zeit. Das Video fand trotz seiner Kürze weit über die TikTok-Gemeinde hinaus Beachtung. Es wurde auf beruflichen Netzwerken diskutiert, und selbst klassische Medien berichteten darüber. Seither ist Quiet Quitting in aller Munde.

Innere Kündigung ohne Frustration

Im deutschen Sprachraum gibt es ein ähnliches Konzept: die «innere Kündigung». Wer innerlich gekündigt hat, leistet «Dienst nach Vorschrift». Er oder sie ist an der Arbeit nicht besonders interessiert, denkt nicht wirklich mit und sitzt die Arbeitszeit bloss ab. Grund dafür ist meist eine tiefsitzende Unzufriedenheit. Man fühlt sich durch den Arbeitgeber nicht wertgeschätzt, wurde bei Beförderungen übergangen oder sieht keinen Sinn in der Arbeit.

Der Trendbegriff «Quiet Quitting» meint nicht ganz dasselbe. Es fehlt die Frustrationskomponente. Quiet Quitters sind mit ihrer beruflichen Situation nicht zwingend unzufrieden. Sie wollen in ihrem Job einfach nicht mehr leisten als unbedingt nötig. In seinem Video sagt Khan: «Die Arbeit ist nicht dein Leben, und dein Wert als Person wird nicht durch deine Arbeitsleistung bestimmt.» Es geht vor allem darum, eine bessere Work-Life-Balance zu haben und den Job nicht in den Mittelpunkt zu stellen.

Der Stress am Arbeitsplatz nimmt zu

Quiet Quitters wollen weniger Stress am Arbeitsplatz und bestehen auf eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Überstunden sind für sie tabu, sie lehnen es ab, nach Feierabend E-Mails zu beantworten, nehmen keine Arbeit mit ins Wochenende, und Anrufe des Chefs während der Ferien sind für sie ein No-Go. Sie wollen, wie Khan es ausdrückt, nicht mehr länger Teil einer Kultur der Hektik sein.

Dass die Diskussion um das Quiet Quitting so hohe Wellen schlägt, erstaunt nicht. Denn die Prioritäten der Arbeitnehmenden haben sich verschoben. Die Generation Z, also die Generation der nach 1995 Geborenen, legt mehr Wert auf die Work-Life-Balance als frühere Generationen.

Die Realität am Arbeitsmarkt steht indes mit dem Bedürfnis nach einer stressfreien Arbeitsatmosphäre und guter Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Freizeit oft in Widerspruch. Viele Branchen leiden unter einem grossen Fachkräftemangel, weshalb die Arbeitsbelastung der vorhandenen Mitarbeiter:innen derzeit eher steigt als sinkt. Dies hat zur Folge, dass der Stress zunimmt.

Unternehmen verbessern ihre Arbeitsbedingungen

Nicht zuletzt unter dem Eindruck des ausgetrockneten Arbeitsmarkts versuchen immer mehr Firmen, ihre Arbeitsbedingungen an die geänderten Bedürfnisse der Jobsuchenden anzupassen. Sie reduzieren die Erwartungen an die Erreichbarkeit nach Feierabend, bieten mehr Teilzeitstellen, sind offen für Jobsharing und zeigen sich grosszügig beim Mutter- und Vaterschaftsurlaub. Gleichzeitig versuchen sie, ihre Angestellten zu motivieren, indem sie auf einen partizipativen Führungsstil setzen und Hierarchiestufen abbauen.

Ein grosses Thema sind neue Arbeitszeitmodelle. So ist es seit Corona in vielen Firmen möglich, einen Teil der Arbeit im Homeoffice zu erledigen. Sogar bei Organisationen mit Schichtbetrieb ist Bewegung spürbar. Verschiedene Spitäler erlauben ihren Pflegeteams beispielsweise, ihre Schichtplanung in die eigene Hand zu nehmen. Einige gehen noch einen Schritt weiter und bieten im Schichtbetrieb gleitende Arbeitszeiten an.

Selbst die Vier-Tage-Woche ist nicht mehr tabu. Seit kurzem gewähren einzelne Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen einen zusätzlichen freien Tag pro Woche, wenn sie an den verbleibenden Tagen länger arbeiten. Erste Erfahrungen zeigen ein erstaunlich positives Bild: Trotz der längeren Arbeitstage fühlen sich die Mitarbeitenden weniger gestresst, und bei der Produktivität ist kein wesentlicher Rückgang festzustellen.

Wie kann ich meine Work-Life-Balance verbessern?

Fragst du dich, wie du deine eigene Work-Life-Balance verbessern kannst? Eines vorweg: Einfach im Sinne von Quiet Quitting jeden Nachmittag um Punkt vier den Computer herunterzufahren und Anrufe des Chefs ausserhalb der Bürozeiten konsequent wegzudrücken, ist keine gute Idee. Wenn du das Gefühl hast, dass dir deine Arbeit zu wenig Freiraum für dein Privatleben lässt, solltest du vielmehr das Gespräch mit deiner/m Vorgesetzten suchen.

Unter Umständen lohnt es sich auch, über eine Reduktion der Arbeitszeit nachzudenken. Du musst dir indessen bewusst sein, dass sich eine Verringerung des Arbeitspensums nicht in jedem Fall eins zu eins auf die Arbeitsbelastung überträgt. Nicht selten entspricht eine 80-Prozent-Stelle eher einer Arbeitslast von 90 Prozent.

Du möchtest eine Auszeit – Zeit, um dich zu erholen, zu reisen oder Sprachen zu lernen? Dann könnte ein Sabbatical das Richtige für dich sein. Wichtig ist allerdings, dass du dir vorher Gedanken machst über die finanziellen Konsequenzen.

Eine andere Alternative zum Quiet Quitting ist die echte Kündigung. Der aktuelle Zeitpunkt ist ideal für einen Jobwechsel. Viele Unternehmen suchen händeringend nach neuen Arbeitskräften und sind bereit, dir bei den Arbeitsbedingungen entgegenzukommen. Ein Stellenwechsel bietet dir zudem die Chance, etwas Neues auszuprobieren und dich weiterzuentwickeln. Denn Arbeit ist zwar nicht das ganze Leben, doch mit dem richtigen Job macht sie viel Spass.

Ähnliche Beiträge

Burnout: Wenn der persönliche Akku gegen null geht
Warum jeder einen Work-Husband oder eine Work-Bestie braucht